Autor: Dieter Ambs. 

Liebe Mitbürger von Bad Dürkheim,

fast jeden Montag, und das seit mittlerweile weit über 2 Jahren, laufe ich mit vielen anderen Menschen durch unsere Straßen von Bad Dürkheim.

Ich nehme das in unserem Grundgesetz verankerte Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung als eine legitime Möglichkeit in Anspruch, meine Unzufriedenheit und Kritik gegenüber staatlichen Entscheidungen öffentlich kundzutun.

Dabei ist die Demonstrations- und „öffentliche“ Streitkultur in Deutschland nicht so ausgeprägt und überhaupt unvergleichbar mit vorneweg Frankreich, Italien oder Spanien.

Geschweige denn, hier in unserem „idyllischen“ Bad Dürkheim!

Ich weiß, dass hier in Bad Dürkheim die Demonstranten von Vielen sehr argwöhnisch betrachtet werden.

Aus verschiedenen Gründen heraus:

  • Zum einen fühlen sich manche durch das laute Getrommel, die Musik und die Rufe gestört.
  • Die anderen sehen ängstlich berührt dort Menschen auf der Straße, denen sie eine rechte und antidemokratische Gesinnung unterstellen.

Dazu möchte ich sagen:

Eine Demonstration muss laut sein, muss gehört werden, sonst ist die Absicht dahinter verfehlt und läuft ins Leere. Es soll Aufmerksamkeit erreicht werden!

Die verallgemeinerte Haltung gegenüber der Gesinnung der Menschen, die dort demonstrieren, ist meist durch die Narrative der Medien vorgegeben. Das befeuert die primitive Diffamierung, welche jeden Diskurs im Keim erstickt.

Vor allem wenn der Beobachter an seiner eigenen Doktrin festhalten will!

So funktioniert keine Demokratie!

Die demokratische Staatsform ist im Vergleich zu anderen Staatsformen bestimmt nicht die einfachste: mal anders ausgedrückt:  „Viele Leute, viele Meinungen“.

Wie Alice Schwarzer sinngemäß vor kurzem gesagt hat:

„Veränderungen in der Politik erreicht man nicht am privaten Stammtisch, sondern auf der Straße.“

Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, seine Meinung in die Öffentlichkeit zu tragen, ist gar nicht so einfach. Wer seine Meinung (und dabei geht es nicht um Missionierung und Besserwisserei) in die Öffentlichkeit trägt, macht sich damit selbst unverhohlen angreifbar. Es erfordert einen gewissen Mut und Dialogbereitschaft gegenüber seinen Mitmenschen zu zeigen, wie ernst einem das entsprechende Thema ist. –  Das ist für mich Demokratie.

Ich sage öffentlich meine Meinung, ohne eine menschenverachtende oder beleidigende Äußerung von mir zu geben.

Indem ich meine Meinung proklamiere, provoziere ich den öffentlichen Diskurs und stelle mich diesem. Selbstverständlich auch mit der Bereitschaft, mich eines Besseren belehren zu lassen und für mich sinnvolle Gegenargumente sowie Meinungen zu akzeptieren, zu überdenken und daraufhin in meine Überlegungen mit einzubeziehen.

Für mich persönlich ist die schweigende Mehrheit viel gefährlicher, als jeder einzelne Demonstrant.

Überlegen Sie mal, wer im ganz normalen Alltag,  z.Bsp.: im Supermarkt, neben ihnen stehen kann, ohne dass Sie wissen, welche Gesinnung er oder sie hat. Oder ob diese Person vielleicht Gewalt in den eigenen vier Wänden verübt – wir wissen es leider nicht immer.

Aber von den Menschen, die auf die Straße gehen, von denen scheint man ja alles genau zu wissen. Sie stehen automatisch in einer Kontaktschuld.

Kontaktschuld heißt: Sobald ich mich in einem öffentlichen Raum bewege, wie z.Bsp.bei einer Demonstration und neben einem offensichtlich rechts gesinnten Menschen stehe, muss ich mich erklären und beweisen, dass ich eine andere Gesinnung habe. Sonst wird -ohne zu hinterfragen -vermutet, dass ich auch mit der rechten Szene sympathisiere.

Somit kann man diesem Aufeinandertreffen einen ganz anderen Sinn zuschreiben.

Also werden die „unangenehmen“ Demonstrationen von Medien und der Öffentlichkeit lieber mit der Kontaktschuld bombardiert, als sich mit dem eigentlichen Thema der Demonstration auseinander setzen zu müssen. Dies lässt sich auch besser verkaufen.

Ein weiteres interessantes Phänomen ist mir bei den vielen Demonstrationen, nicht nur in Bad Dürkheim, aufgefallen: Einige Passanten haben z.Bsp. keinen Moment den Transparenten und den Schildern ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Bei ihrem schnellen Vorbeihuschen an dem Demonstrationszug haben sie entweder nur verständnislos den Kopf geschüttelt, schlimmstenfalls noch schnell eine beleidigende Geste oder verbalen Müll von sich gegeben.

Ich sehe aber zum Glück auch sehr viele Menschen auf der Straße und an den Fenstern, die uns positive Zeichen (Daumen hoch oder freundlich winken) zukommen lassen.

Allerdings frage ich mich, warum gerade diese Menschen nicht auch mit uns auf die Straße gehen.

Speziell an diese Menschen, und natürlich auch an alle anderen, appelliere ich, Courage zu zeigen.

Nur wenn man seine Stimme erhebt, kann man etwas bewegen.

Bei den Demonstrationen habe ich viele neue und interessante Menschen kennen gelernt.

Das heißt noch lange nicht, dass man, auch auf der Straße, bei jedem Thema einer Meinung ist. Aber man ist immer gefordert, in direktem Kontakt sich der Kontroverse zu stellen und zu diskutieren.

Aus diesem Grund bin ich kein Freund von der Anonymität des Internets. Hier ist mittlerweile kein konstruktiver Diskurs mehr möglich.

Wir sehen jetzt langsam endlich die öffentliche Aufarbeitung der teilweisen sinnlosen Coronamaßnahmen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Menschen, die von der Politik und den Medien dämonisiert, stigmatisiert und beleidigt wurden, welche genau diese Maßnahmen öffentlich kritisiert haben.

Für mich persönlich ist somit eine ganz gefährliche Hysterie gegenüber anders Denkenden entstanden. Das hätte ich in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten.  Für mich kam damals sogar die Frage auf:

“Wann hier auf dem Römerplatz der erste Scheiterhaufen brennen wird?“

Ich sage noch einmal ganz bewusst: es geht und ging nie um Besserwisserei, sondern um ein sehr schwieriges Thema, welches man nicht mit Spaltung der Menschen, sondern nur mit Gemeinsamkeit und Zusammenhalt hätte besser lösen können und weiterhin kann.

Jetzt haben wir leider die nächste Debatte  –  über den Krieg in der Ukraine.

Und wieder führen wir in Deutschland dieselbe Art der diffamierenden Kontroverse gegenüber der Meinung der Anderen bei einem so wichtigen Thema „Krieg oder Frieden“.

 Als hätten wir aus der „Coronadebatte“ nichts gelernt.

Ich sage hier nur mit wenigen Worten meine persönliche Meinung:

Jeder, der aus seiner Komfortzone heraus nur für die Waffenlieferung plädiert, ist sich nicht bewusst, was Krieg wirklich bedeutet! Vor allem für die Menschen, die es betrifft. Im Focus steht für uns augenblicklich die ukrainische Bevölkerung. Aber es gilt für alle Menschen!

Die Alternative können und müssen politische Verhandlungen sein!

Jetzt haben wir den Krieg, sozusagen vor der Haustür, und auch ich muss mir den Schuh anziehen, dass die vielen anderen Kriege auf der Welt (Irak, Syrien, Jemen, Afghanistan und die Vielen in Afrika) mich nicht auf die Straße gebracht haben.

Auch nicht der jahrzehntelange Konflikt zwischen Israel und Palästina.

Erst jetzt, wo wir hier in Deutschland in die Gefahr laufen könnten, auch wieder in einen Krieg verwickelt zu werden, lassen wir uns erneut von Politik und Medien spalten, anstatt sich einheitlich vor Augen zu halten, welche geschichtliche Erfahrung und Verantwortung Deutschland haben sollte, Kriege vorrangig nicht mit Waffen zu unterstützen.

Es mag für viele den Anschein erwecken, dass die politisch propagierte „Solidarität“ gegenüber der Ukraine mit Waffenlieferungen die Richtige sei.

Darüber kann man streiten, aber im Vordergrund müssen als erstes diplomatisches Taktieren und politische Bemühungen Priorität haben.

Der Weg ist das Ziel.

Anstatt ein gemeinsames Ziel für den Frieden zu verfolgen, und das vor allem für die Menschen in der Ukraine, beschäftigen wir uns lieber wieder mit uns selbst und versuchen uns erneut nur in „Gute und Böse“ einzuteilen….

Obwohl wir alle das Gleiche wollen……Frieden!  Und Freiheit!

Darum laden wir jeden ein, der mit uns seine Meinung in einem öffentlichen, demokratischen und menschlichem „Miteinander“ kundtun möchte.

Nur Mut – es ist gar nicht so schwierig.

 

Von Dieter Ambs, als Rede gehalten auf der Montagsdemonstration am 6.3.2023

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