Autor: Ingrid Schulze. 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Hiermit erkläre ich, Roger Lewentz, geboren 1963 in Lahnstein, Innenminister von Rheinland Pfalz seit dem Jahr 2011, mit sofortiger Wirkung meinen Rücktritt von diesem Amt.

Des Weiteren stelle ich ab sofort mein Amt als Parteivorsitzender der Rheinland-Pfälzischen SPD zur Verfügung, und ich lege hiermit auch mein Landtagsmandat nieder.

Die Kette meiner Verfehlungen ist lang und reicht zurück zur Nürburgringpleite 2010 und dessen gescheiterter Privatfinanzierung, deren Aufklärung ich mit Winkelzügen verhinderte. Ebenso scheiterte die von mir initiierte und angepriesene Rettung des Flughafens Hahn 2016 durch chinesische Investoren. Auch dieses für den Steuerzahler kostspielige Debakel lag in meiner Verantwortung.

Mein größtes politisches und persönliches Versagen jedoch spielte sich in der Flutnacht vom 14.Juli 2021 ab.

Bereits zwischen 22.15 und 22.45 Uhr konnten aus Polizeihubschraubern Aufnahmen der verheerenden Wassermassen gemacht werden, die die Orte Mayschoß, Altenahr und Schuld in einem nie gekannten Ausmaß überfluteten und sich Menschen in höchster Gefahr befanden. Es wäre Aufgabe des Lagezentrums des Innenministeriums mit mir als dem vorstehenden Innenminister gewesen, diese Videos vom Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik anzufordern und entsprechend dem Lagebild sofort schnellstmöglich zu handeln.

Ich, Roger Lewentz, hätte Kraft meines Amtes die Leitmedien in ihrer Übertragung unterbrechen und eine Warnung der Bevölkerung veranlassen müssen. Vielleicht hätten Menschen im unteren Lauf der Ahr in Dernau, Bad Neuenahr und Sinzig noch erreicht und gerettet werden können.

Ungeachtet der Verfehlungen weiterer politischer Akteure übernehme ich die volle Verantwortung für das katastrophale Krisenmanagement in der Flutnacht und danach. Hiermit entschuldige ich, Roger Lewentz, mich zutiefst bei den Angehörigen der Opfer und bei allen Menschen, denen Leid und Not durch mein Nicht-Handeln entstanden sind. Ich entschuldige mich bei allen Freiwilligen, Ehrenamtlichen und privaten Helfern, die sich in dieser Nacht im Stich gelassen gefühlt haben sowie bei den Beamten der Polizei, des Katastrophenschutzes und der koordinierenden Leitstellen. Mir ist inzwischen die seelische Notlage vieler dieser Menschen nach den schrecklichen Ereignissen bewusst, und ich blicke mit allergrößter Hochachtung auf ihren Einsatz in der Flutnacht.

Dem auf die Verfassung geschworenen Amtseid der gewissenhaften Erfüllung meiner Amtspflichten bin ich in der Flutnacht einmal mehr nicht nachgekommen und bitte auch dafür um Entschuldigung.

Dem Leiter des Untersuchungsausschusses Ahr, Martin Haller, sowie den Mitgliedern des U-Ausschusses möchte ich für ihre bisherige, konsequente Aufklärung aller Vorgänge in der Flutnacht danken.

Hiermit entschuldige ich mich auch für die zögerliche und verspätete Herausgabe der beweislastigen Videos aus der Flutnacht aus meinem Ministerium und für meine unwahre und nicht transparente Darstellung im U-Ausschuss. Ich bitte den Ausschuss um vollständige Aufklärung.

Mein Rücktritt hätte bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt erfolgen müssen. Ich, Roger Lewentz, stehe jederzeit auch für die gerichtliche Aufklärung und Strafverfolgung meiner Person zur Verfügung.

Für die Überlebenden und Hinterbliebenen im Ahrtal werde ich mit sofortiger Wirkung sämtliche für mich nicht lebensnotwendigen Bezüge meiner verschiedensten Tätigkeiten zur Verfügung stellen und der Instandsetzung der Infrastruktur im Ahrtal widmen.

Ich werde die Stiftung ‚Wiederaufbau Ahrtal’ ins Leben rufen und aktiv mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften mitwirken. Mein Übergangsgeld des Landes Rheinland Pfalz von rund 180.000€ für die nächsten 2 Jahre soll dabei als Startkapital der Stiftung dienen. Ihr Mitwirken an der Stiftung zugesagt haben bereits Jochen Pföhler, Anne Spiegel, Thomas Linnertz und Malu Dreyer.

Ausdrücklich entschuldigen möchte ich mich auch bei den sogenannten ‚Querdenkern’. Deren beispiellose, spontane, schnelle Hilfsbereitschaft und Spendenbereitschaft für die Menschen im Ahrtal wurde auf meine Anweisung hin ausgebremst, verboten und mit Framing überzogen.

Ebenfalls in meiner Verantwortung steht der großangelegte Polizeieinsatz anlässlich des Neustädter Demokratiefestes. Die zahlreichen, friedlichen, in weiß gekleideten Menschen wurden von mir diffamiert und ich habe ihnen fälschlicherweise die Instrumentalisierung der Veranstaltung unterstellt. Ihnen durch Polizeikräfte den Weg auf das Hambacher Schloß zu verweigern und jeglichen Dialog abzulehnen, war falsch, und ich bitte auch dafür um Entschuldigung.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Mitarbeiter und Beamte des mir bisher unterstellten Ministeriums: Bitte glauben Sie mir meine aufrichtige Reue. Nicht der öffentlichen Druck, sondern mein Schamgefühl, die gefühlte Schuld und Verantwortung, werden meinem Denken und Handeln eine neue Richtung geben.

 

Vielen Dank.

 

Von Ingrid Schulze als Rede gehalten beim Dürkheimer Montagsspaziergang am 17. Oktober 2022

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