Autor: Christiane Christen/Christian Schreckenberger

Die rhetorische „Verzonung“ der Meinungsfreiheit

Seit Jahrzehnten können wir in Deutschland beobachten, wie unsere Meinungsfreiheit – also die Freiheit, ohne jede rechtliche oder moralische Sanktionierung auszusprechen, was wir denken – immer weiter eingeschränkt und bewusst beschnitten wird. Sehr gut nachvollziehen können wir das, wenn wir uns verschiedene Begriffe und deren Wirkung zu unterschiedlichen Zeiten ansehen. Worte wie „Zigeuner“ oder „Neger“, die noch vor 30 Jahren vollkommen unverdächtig zu unserem Wortschatz gehörten, rufen heute, nach nur wenigen Dekaden, bei vielen Menschen das unbehagliche Gefühl hervor, sich in einen Bereich des „Unsagbaren“ zu begeben. Man fürchtet, man könne bei anderen in einen gewissen Verdacht geraten …

Genau beschreiben können die wenigsten diesen Verdacht oder den Bereich des Unsagbaren, und das ist auch beabsichtigt, denn je besser die Menschen analysieren, also sachlich untersuchen und nicht moralisch bewerten, warum sie oder andere in Verdacht geraten, umso weniger wirksam wäre das Mittel einer vermuteten Sanktionierung.

So fehlen dem ideologischen Tabu (z.B. „Rassismus“) klare tatbestandliche Grenzen für eine unstreitige Definition. Und die Folge der Unbestimmtheit ist die Mehrdeutigkeit. Wo das Tabu mehrdeutig wird, gibt es keine Garantie für Kommunikation ohne Verdacht. Jedes Tabu ist von einer breiten „Zone des Verdachts“ umgeben, was für den freimütigen Bürger praktisch bedeutet, in einer Zone des „Jederzeit-Verdächtigt-Werden-Könnens“ eingeschlossen zu sein.

Der Meinungskorridor wird dadurch natürlich immer enger.

Wir leben nicht als einzelne Individuen unabhängig von anderen, sondern wir leben in einer Gesellschaft, also einer Gruppe von Menschen, zu der wir gehören. Jeder Mensch fühlt sich wohl, wenn er in der eigenen Gruppe auf Bestätigung trifft. Niemand isoliert sich gerne. Und so kristallisiert sich eine Art „Volks-Ethos“ heraus, also die ethisch-moralische Gesinnung eines Volkes, auf dessen Basis öffentlich getätigte Aussagen von der Gemeinschaft bewertet werden. Und so kommt es dazu, dass Handlungen und Aussagen, die gegen das Volks-Ethos laufen, als negativ bewertet werden („Das tut man nicht.“, „Das sagt man nicht.“).

Tatsächlich erleben wir auch, dass unsere Sprache durch die über Jahrzehnte zu beobachtende Veränderung des „Volks-Ethos“ ärmer wird und dass uns Differenzierungsmöglichkeiten Schritt für Schritt verloren gehen. „Menschen mit Migrationshintergund“ ist eben nur ein Sammelbegriff. Der Asylant gehört ebenso dazu wie der Deutsche mit einer italienischen Großmutter. Dass mit solcherlei vorgegebenen Sammelbegriffen in bestimmten Themenbereichen kaum noch eine differenzierte Diskussion möglich ist, ist natürlich beabsichtigt. Es wird daher höchste Zeit, sich einmal analytisch mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit zu beschäftigen.

Meinungen und Äußerungen können in 4 verschiedene Zonen fallen, weshalb wir von der „Verzonung der Meinungsfreiheit“ sprechen:

1. Die Medio-Zone des öffentlich Sagbaren (lat. medius: „in der Mitte befindlich“):

Wer sich in dieser Zone äußert, hat nichts zu befürchten. Die Medien sind dabei ein gutes Steuerlicht. Wer sich heutzutage unverdächtig äußern will, der muss nur die Argumentation der Tagesschau oder der Zeit übernehmen, denn dort wird serviert, was man unreflektiert wiederholen kann, ohne in Verdacht zu geraten. Im Zweifel jedoch äußert man sich besser links, denn in diese Richtung scheint keinerlei Gefahr zu bestehen, wenn gar eine Politikerin Stellvertretende Bundestagspräsidentin werden kann, die auf Demos mitläuft, auf denen laut „Deutschland verrecke“ gerufen wird und auf der Transparente gezeigt werden, auf denen „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ geschrieben steht.

Interessant für uns sind daher vor allem die beiden nächsten Zonen:

2. Die Verdachtszone (non decorum, lat. „was sich nicht ziemt“):

„Das tut man nicht“, „Das sagt man nicht“. Mit Sätzen wie diesen steckt die Gesellschaft die Grenze zwischen der Medio-Zone und der Verdachtszone ab. Alles, womit man sich potenziell verdächtig machen könnte, fällt in diesen Bereich. Verdächtig macht man sich in jedem Fall mit dem Üben von Kritik an der Regierung, indem man sich beispielsweise gegen die Eurorettung ausspricht oder gegen die „Ehe für alle“. Natürlich spielen hierbei die Verbindungen zwischen Politik und Medien eine bedeutende Rolle, denn nicht umsonst besteht zwischen den Damen Merkel und Springer eine enge Freundschaft und nicht zufällig ist die Tochter von Wolfgang Schäuble, Christine Strobl, als Geschäftsführerin der ARD-Tochter Degeto eine der mächtigsten Personen im deutschen Fernsehgeschäft. Die Medien definieren die Zone des öffentlich Sagbaren, und die Politik gibt dabei – zumindest in den Öffentlich-Rechlichen – den Rahmen vor. Dass Journalisten außerhalb des Staatlichen Rundfunks kaum abweichende Meinungen verbreiten, erklärt sich damit, dass Medienschaffende nur zu gut wissen, was passieren kann, wenn man den gesteckten Rahmen verlässt: Mit 9,5 Milliarden Euro in einem Jahr ist der ÖR einfach viel zu mächtig, als dass man sich ihn als Gegner wünscht. Eva Hermann kann das sicher bestätigen.

3. Die Tabuzone (non honestum, lat: „nicht ehrenhaft“):

Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden immer mehr Themen aus der Verdachtszone in die Tabuzone verschoben. Ein Tabu ist beispielsweise heute, sich für den Schutz des ungeborenen Lebens einzusetzen und nicht die völlige Entscheidungsfreiheit der Frau zu verteidigen, mit dem Ungeborenen machen zu können, was sie will, wie es der 68er-Spruch „Mein Bauch gehört mir.“ impliziert. Und das, obwohl selbst das Grundgesetz in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht einen Abbruch zu jeder Zeit als verfassungswidriger Verstoß gegen die Kindswürde betrachtet. Und zur Zeit wird mit dem Wort „Klimaleugner“ als Bezeichnung für jemanden, der sich kritisch mit der These vom menschengemachten Klimawandel auseinandersetzt, ein weiteres Thema aus der Verdachtszone in die Tabuzone verschoben. Dazu wird mit dem Wortkonstrukt „Klimaleugner“ parallel zum Begriff des „Holocaustleugners“ eine besonders perfide und in Deutschland sehr wirksame Methode benutzt, wo letzteres eine eigene Straftat darstellt.

4. Die Verbotszone (non iustum, lat: „nicht gerecht“, „rechtswidrig“):

Bei der 4. Zone handelt es sich schließlich um den Bereich, in dem man sich mit seinen Äußerungen strafbar macht. Holocaustleugnung gehört natürlich dazu. Ganz scharf ist die Grenze zwischen Tabu und Verbot aber auch nicht, denn mit §130 StGB gibt es eine Art Gummiparagraphen, der – je nach Auslegung – den Tatbestand der Volksverhetzung bestätigen kann. Darüber hinaus wurde auch mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Instrument geschaffen, dass Meinungen auch ohne richterlichen Beschluss in die Verbotszone schieben kann: Indem Sie einfach als „offensichtlich rechtswidrig“ deklariert werden, können sie im Internet innerhalb von wenigen Stunden einfach gelöscht, also faktisch zensiert werden.

Bei der Einteilung von Aussagen in die 4 Zonen spielt eine erhebliche Rolle, wer eine Aussage tätigt und natürlich auch wie man sich ausdrückt. Spricht beispielsweise die Kanzlerin von einer „nationalen Kraftanstrengung zur Rückführung von illegal Zugereisten“, fällt das ganz klar für die gesamte Gesellschaft in die Medio-Zone. Wenn denselben Satz aber jemand, der sich zuvor zu diesem Thema nie geäußert hat, ausspricht, dann macht er sich zumindest verdächtig: Er könnte ja kritische Zeitschriften oder die „falschen“ Ineternetblogs lesen. Wenn aber etwa ein Politiker der AfD die Aussage macht, dann fällt das ganz eindeutig weit in den Verdachts-, wenn nicht sogar in den Tabubereich.

Nach Thomas Jefferson („Freedom of press cannot be limited without beeing lost.“) wird die Pressefreiheit nur dadurch verteidigt, dass sie nicht eingeschränkt wird, denn eine eingeschränkte Freiheit ist eben keine Freiheit mehr. Nun gab es im Amerika des frühen 19. Jahrhunderts sicher keine Staatsmedien, wie das heute bei uns der Fall ist, sodass wir das Zitat sehr gut auf die Meinungsfreiheit anwenden können: Die Meinungsfreiheit kann nicht eingeschränkt werden, ohne dass sie verloren geht.

Wie kann uns das Wissen über die Verzonung beim Kampf um die Meinungsfreiheit nutzen?

Linke und Linksliberale versuchen permanent, den Bereich des öffentlich Sagbaren zu verkleinern und gleichzeitig den Tabu-Bereich auszuweiten, indem Sie beispielsweise einzelne Wörter skandalisieren bzw. die dahinter stehende Person diskreditieren. Die „Kampfzone“ derer, die sich für Meinungsfreiheit einsetzen, muss daher die Verdachtszone sein. Sie muss vor der Tabuisierung bewahrt werden, Meinungen in diesem Bereich müssen Stück für Stück wieder in die Zone des öffentlich Sagbaren gezogen werden. Das geht nur mit verbalem Widerspruch. Wieder und wieder. Mutig, kämpferisch und unnachgiebig. Für die dazugehörige Tugend gibt es im Altdeutschen
ein wunderbares Wort: Der „Freimut!“

Oder moderner: „Mut zur Wahrheit“.

Befreien wir unsere Sprache vom Bann der Tabuisierung und Verdächtigung.
Ohne freie Sprache kein freies Volk.

 

Christiane Christen/Christian Schreckenberger
Im Januar 2018

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